Beschreibung

Predigt Steine werfen am 5. Fastensonntag 7. April 2019

Evangelium Johannes 8,1-11

Wir sind heute zu Recht schockiert, wenn wieder einmal in der Zeitung steht, dass z.B. in Saudi Arabien eine Frau gesteinigt wurde, weil sie beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt wurde. Ist das heute im Jahr 2019 noch möglich? Wie ist es mit der Verantwortung beim Mann? Nein, wir hier in Österreich steinigen heute niemanden mehr. Bei uns gelten die Menschenrechte! Wirklich? Ich ich oft erschüttert, welche Methoden und Tricks auch unter uns angewandt werden, um Menschen nieder zu machen. Sind folgende Möglichkeiten, wie sich heute die Bibelstelle mit der Ehebrecherin ereignen könnte, ganz fremd?

Variante I: Da meinte jemand: Bitte bringt eure Anschuldigungen vor. Wer hat Fotos, wer hat den Vorfall gefilmt? Alles muss öffentlich gemacht werden! Alles muss ins Internet und in die social medias gestellt werden! Geht es da wirklich immer um Aufklärung oder doch mehr darum, dass wir uns an den Skandalen der anderen ergötzen?

Variante II: Einige gingen weg, tratschten und erzählten überall die Neuigkeiten: Das habe ich mir gleich gedacht, dass diese Frau so ist! Wisst ihr noch, was sie vor drei Jahren getan hat? Und ihre Großmutter war nicht viel besser! Variante III: Jemand schrie heraus: Scheinheiliges Getue! Euch geht es nicht um die Frage der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, sondern darum, jemanden etwas auszuwischen und selber als Saubermänner dazustehn?

Variante IV: Jemand begann sofort Unterschriften zu sammeln: Wir benötigen strengere Gesetze! Das darf nie mehr passieren!

Es ist spannend und für mich phänomenal, wie Jesus mit der Situation umgeht im Blick auf die Ehebrecherin und im Blick auf die selbstgerechten Ankläger. Es zahlt sich aus, genau zu schauen und von Jesus zu lernen:

Jesus hilft der Sünderin zum inneren Frieden

Schauen wir zunächst, wie Jesus mit der Sünderin umgeht und was für ihn Vergebung ist:

Vergebung bedeutet nicht Vergessen und Verdrängen: Jesus bleibt bewusst bei der Frau stehen und läuft nicht einfach weg, ohne das Gespräch zu beenden. Ich habe den Eindruck, dass bei uns viele hilfreiche Gespräche nicht zu Ende geführt werden: Man wechselt das Thema, man sucht eigentlich keine Klärung, um nicht selber Konsequenzen ziehen zu müssen und etwas bei sich selbst ändern zu müssen.

Vergebung bedeutet nicht Verharmlosen:
Jesus sagt nicht: Schwamm drüber, eigentlich war es ja gar nicht so schlimm. Vergebung setzt Abstand und Freiheit voraus. Jesus schreibt in den Sand und lässt sich nicht in hitzigen Diskussionen ein. Jesus lässt sich nicht vereinnahmen und unter Druck setzen. Wenn Versöhnungsversuche mit Druck oder Vereinnahmung verbunden werden, dann klappt es sicher nicht.

Vergebung ermöglicht einen Neuanfang: Wer vergibt, stellt dem, der ihn geschädigt oder verletzt hat, keinen Freibrief für die Zukunft aus. Jesus sagt zur Frau: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.

Wir sehen: Vergebung hat viel mit Geben zu tun und nicht so sehr mit Nehmen. Es heißt zu Recht Ver-Geben und nicht Ver-Nehmen.

Jesus und die Selbstgerechten

Schauen wir, wie Jesus mit den Selbstgerechten umgeht. Zunächst fällt auf: Jesus ist nicht naiv oder nur gutgläubig, dass alle alles gut meinen. Er zeigt den Selbstgerechten ihre Grenzen und hält ihnen einen Spiegel vor, damit sie ihr Handeln durchblicken und sich bessern können:

Wir starten mit der spannenden Frage, die seit 2000 Jahren immer wieder gestellt wird: Was hat Jesus in den Sand geschrieben? Eine Antwort lautet, er habe die Namen der anklagenden Pharisäer in den Sand geschrieben, damit sie kapieren, dass sie gemeint sind, und auch im Blick auf eine Schriftstelle beim Propheten Jeremia, die allen Schriftgelehrten bekannt war: „Die sich von dir abwenden, Herr, deren Namen sind in den Sand geschrieben“ (Jer 17,13) Ich glaube nicht so sehr, dass Jesus mit dieser Zeichenhandlung die Ankläger ganz direkt anpacken wollte, sondern zunächst einfach Tempo und Druck herausnehmen wollte. Und der berühmte Satz:

Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Schaut zuerst auf euch und eure Fehler und ergötzt euch nicht an den Fehlern der anderen.

Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Jesus entlarvt die menschliche Neigung, meine Schuld zu bagatellisieren, weil anderen noch die größeren Sünder sind. Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Jesus ermöglicht mit diesem Satz sogar bei den Selbstgerechten eine Besserung und bleibt nicht bei der ständigen Denkweise stecken: Wer ist Opfer? Wer ist Täter?

Vergebung ist eine innere Haltung, die wir Menschen von Jesus lernen können. Er kann dies nur tun, weil er selber einen großen inneren Frieden hat. Die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin schlägt keine Türen zu, sondern öffnet neue Möglichkeiten. Ich finde Jesu Verhalten phänomenal. Vielleicht klappt es, dass eine oder andere von ihm zu lernen.

Details
  • Datum: 7. April 2019
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 8,1-11