Beschreibung

Predigt Thomas – mein Zwillingsbruder
Evangelium Johannes 20,19-31; Sonntag 28. April 2019

Ich möchte heute mit einem Quiz zu den Jüngern Jesu starten:
• Welcher Jünger sagt? Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!
• Wer sagt? Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?
• Von wem stammt der Satz? Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seiner Seite sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
• Wer spricht das Glaubensbekenntnis: Mein Herr und mein Gott!
Sie werden staunen. Alle vier Sätze stammen vom Apostel Thomas, den wir gerne als den Ungläubigen bezeichnen und reduzieren auf den Satz: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seiner Seite sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Es ist wichtig und hilfreich, die verschiedenen Seiten vom Apostel Thomas zu sehen, einerseits um ihm gerecht zu werden, andererseits auch um die verschiedenen Seiten an uns selbst anzuschauen. Thomas hat den Beinamen Didymus – Zwilling. Vermutlich ist er mehr unser Zwillingsbruder, als wir meinen. Ich würde sagen: Kein schlechter Zwillingsbruder!

Thomas der Mutige: Johannes 11
Jesus will nach Jerusalem ziehen, die Jünger halten ihn ab und weisen auf die Gefahr hin: Rabbi, eben noch suchten dich die Juden zu steinigen und du gehst wieder dorthin? Jesus lässt sich von seinem Ziel nicht abbringen. Thomas unterstützt ihn dabei: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!
Wir sehen hier, dass Thomas alles andere als ein Feigling oder ein Fähnchen im Wind oder ein Träumer oder ein chronischer Zweifler ist. Er sieht die Realität und will sich ihr stellen. Er appelliert an die Gemeinschaft der Jünger und nimmt sich selbst nicht als Einzelhelden heraus.

Thomas der Glaubende: Johannes 20,28
Das Glaubensbekenntnis des Thomas gehört zu den kürzesten
Zusammenfassungen unseres Glaubens: Mein Herr und mein Gott!
Damit ist alles gesagt:
Thomas sagt MEIN Herr und MEIN Gott und nicht euer Herr und euer Gott.
Er weiß, dass der Glaube viel mit ihm selbst und seiner Beziehung zu Gott zu tun hat. Er will diese Beziehung spüren und leben.
Thomas nennt Jesus HERR. Er weiß, dass er Jesus vertrauen kann und dass Jesus andere Fähigkeiten hat als er selbst.
Thomas spricht Jesus als GOTT an und verbindet damit wohl auch das Geheimnisvolle und Unerklärliche an Gott.

Thomas der Zweifler
Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seiner Seite sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Ich komme immer mehr drauf, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und nachzufragen. Wie viele Missverständnisse und sogar Konflikte entstehen dadurch, dass nicht alle gut informiert sind und aufgrund von Falschinformationen oder sogar Lügen falsche Schlüsse ziehen.
Thomas lehrt uns, nicht alles blind zu glauben. Er motiviert uns, den Verstand einzuschalten. Er will im wahrsten Sinn des Wortes beGREIFEN und nicht nur irgendwie drüber fliegen oder nebenbei hinschauen.
Bischof Reinhold Stecher hat oft betont, dass Zweifel und Glauben gute Zwillinge sind. Er trifft damit ein wichtiges Anliegen und weist auch auf die Gefahr hin, dass religiöse Gruppen leider manchmal verblendet und radikalisiert werden.

Ich finde das Miteinander der Jünger im Wirrwarr nach dem Tod Jesu nicht schlecht und durchaus auch als Anregung, wie wir als Familien und als Pfarren miteinander umgehen sollen: Einige erzählen begeistert, dass Jesus lebt. Jemand ist skeptisch und darf das auch aussprechen. Er wird nicht sofort ausgeschlossen.
Wenn wir uns gegenseitig zuhören und korrigieren und annehmen, dann haben wir viel von einem hilfreichen Miteinander verstanden und sind nicht in Gefahr, eine elitäre Gruppe zu werden oder Besserwisser, die mit niemanden mehr reden.

Ist Zweifeln fein? Ist Zweifeln wichtig?
Für mich gibt es verschiedene Arten von Zweifel:
• Zweifel als genaues Hinschauen: Dieser Zweifel ist ganz wichtig.
• Zweifel als Skepsis und negative Sicht von allem: Wer so zweifelt, nimmt sich selbst und den anderen viel Freude.
• Zweifel als Verzweifeln: Schade, wenn dieser Zweifel ganz tief in uns hineinbohrt und alles blockiert.

Ich möchte euch heute den Apostel Thomas als mutigen, glaubenden und zweifelnden Zwillingsbruder mitgeben.
Mit Klaus von der Flüe können wir abschließend beten:
Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Details
  • Datum: 28. April 2019
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 20,19-31