Beschreibung

Predigt Neujahr 2020 – Der Marmorblock des neuen Jahres

David des Michelangelo: Seit 1468 lagerte ein fünf Meter langer und zwölf Tonnen schwerer Marmorblock neben den Dom von Florenz. Er war unter enormen Aufwand von Carrara nach Florenz transportiert worden mit dem Ziel, daraus für die Fassade des Domes die Figur von König David zu meißeln. Der erste Künstler (Agostino di Duccio) gab auf, auch der zweite (Antonio Rossellino) biss sich am Marmorblock die Zähne aus und so lag er über 25 Jahre neben dem Dom. Steinmetze sahen ihn, betrachteten ihn und gingen wieder weg.

 

Es wird erzählt, dass eines Tages Michelangelo in seine Vaterstadt kam. Ob ihm der Stein auffiel oder ob man ihn darauf aufmerksam machte, wissen wir nicht: Jedenfalls begann er, sich mit ihm zu beschäftigen. Er schaute ihn an, maß ihn ab und überlegte. Immer deutlicher stand vor ihm die Figur vor Augen, die sich die Florentiner wünschten. Er stellte sich den David vor, die Schleuder auf der Schulter, den Kieselstein in der Hand, wie er locker und zugleich angespannt zum Kampf gegen Goliath ausschreitet. Die anderen sahen nur den Steinblock, der unbrauchbar und unnötig im Wege stand. Michelangelo hingegen erblickte in dem verpfuschten Marmor bereits den David.

 

Michelangelo bekam den Auftrag, die kolossale Statue zu machen. Unter seinen Händen wuchs in den Jahren 1501-1504 eine der berühmtesten Statuen der Welt: 5,17 m hoch, fast 6 Tonnen schwer.

Was ist das Geheimnis für dieses außerordentliche Kunstwerk? Was ist das Geheimnis des Michelangelo neben seinem handwerklichen Können?

Ja: Seine Hände folgten bereits der Vision, wie er sich den David vorstellte.

Und aus dem Stein wuchs die wunderbare Gestalt heraus.

 

Neues Jahr wie ein roher Block

Das neue Jahr mit seinen 365 Tagen liegt so ähnlich wie ein großer Marmorblock vor uns. Es ist ein roher Block, der noch unbearbeitet ist.

Was wird daraus? An wem liegt es, was daraus wird? An uns? An unseren Visionen und Ideen? An unserer täglichen Handwerkskunst? An den anderen? An Gott?

Es ist hilfreich, nicht ängstlich hundert Faktoren im Blick zu haben und tausend „Wenns“ zu berücksichtigen, wohl aber die zwei wichtigsten: Unsere eigene Lebensverantwortung und die Gnade Gottes:

 

Unser Anteil

Wie ein Schnitzer oder Bildhauer benötigen wir fürs kommende Jahr

Ausdauer, Übung, Talente, die Fähigkeit, zusammenzuarbeiten, auch Glück und die Gunst der Stunde.

 

Ich weiß nicht, wie es euch mit Vorsätzen im Blick auf das kommende Jahr geht: Friedrich Hebbel meint selbstkritisch, ironisch und auch gelassen: „Traurig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein könnte.“

Auf einem whatsapp hat mir jemand geschrieben: „Mein Ziel für 2020 ist es übrigens, dass ich die Ziele erfülle, die für 2019 geplant waren, welche ich 2018 machen wollte, weil ich es mir 2017 vorgenommen habe.“

 

Gottes Anteil

Ich bin überzeugt: Gott hat von uns allen eine Vision, wie wir sein können und was wir aus dem Leben machen können.

Er bietet auch ein handfestes Modell, einen Prototypen, ein Vorbild für uns Menschen, nämlich Jesus Christus. An Jesus können wir ablesen, wie gutes Leben im Sinne von Gott aussieht.

Gott hat uns auch seine Gegenwart und Hilfe zugesagt.

 

Bitten wir und vertrauen wir, dass das Zusammenwirken zwischen Gott und uns gelingt, damit aus dem Marmorblock des heurigen Jahres ein Kunstwerk wird.

 

Zu Weihnachten (und Neujahr) wünschen wir uns einen Gott,

der unser eigenes Leben in Ordnung bringt,

der die Kriege der Menschen beendet,

der den Hungernden der Welt zu essen gibt,

der alle Trauernden tröstet.

 

Und dann stehen wir vor einem kleinen Kind in der Krippe,

das uns lehrt und begleitet,

wie wir unser Leben selbst in Ordnung bringen,

die Kriege der Menschen beenden,

mit den Hungernden unseren Reichtum teilen

und die Trauernden trösten können.

(Elisabeth Ziegler-Duregger aus Lienz)

Details
  • Datum: 1. Januar 2020
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Lukas 2,16-21