Predigt Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten
Beschreibung
Predigt Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten
Ostersonntag 2021; Evangelium Johannes 20,1-18
Vor einigen Jahren kam am Ostermontag ganz aufgelöst ein Mitarbeiter mit einer traurigen Nachricht zu mir. Er meinte: Ostern ist schon wieder vorbei. Wir sind schon wieder beim Karfreitag. Ich bin erschrocken über die traurige Nachricht und gleichzeitig über die Schnelligkeit meines Mitarbeiters, dass Ostern schon wieder beendet sei.
Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals geantwortet habe. Sinngemäß würde ich im Rahmen des Gesprächs heute sagen: Überlegen wir kurz miteinander, welche Antwort das Osterfest auf die tragische Nachricht geben will.
So möchte ich heute die Osterbotschaft mit dem Satz ausdrücken: Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten. Der Satz betrifft die großen Fragen des Lebens und hoffentlich auch die kleinen alltäglichen Ereignisse. Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten. Drei kurze Gedanken dazu im Blick auf Jesus, auf Maria Magdalena und uns selbst.
Die Frage nach dem Warum des Kreuzes, damals und heute?
Warum musste Jesus so einen erbärmlichen Tod sterben? Warum gibt es heute so viel Leid, warum fügen sich Menschen gegenseitig solche Verletzungen zu? Warum fallen Menschen sehr schnell in die Haltung der Rache und des Misstrauens zurück.
Die einzelnen Tage der Karwoche nehmen das Leben in Freud und Leid ernst und geben Antworten auf die Fragen des Lebens. Wozu der Mensch fähig ist, wird nirgends eindrücklicher beschrieben als im spannenden Geschehen der Karwoche. Wie Gott darauf reagiert, zeigt sich nirgends besser als mit dem happy end von Ostern.
Die Karwoche und das Leben Jesu zeigen uns: Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten.
Maria Magdalena
Kommen wir zu Maria Magdalena, von der wir heute im Osterevangelium so wunderbar hören, wie sie dem Auferstandenen begegnet.
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass sie sich am Grab Jesu zweimal umdreht, um dann als erste Botin der Auferstehung neu aufbrechen zu können.
Nachdem Maria am leeren Grab Jesu mit den beiden Engeln redet und ihnen ihr Leid klagt: „Sie haben meinen Herrn weggenommen“, dreht sie sich um und sieht Jesus dastehen.
Zuerst erkennt sie Jesus nicht und meint, es sei der Gärtner. Nachdem sie auch ihm ihr Leid geklagt hat: „Sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen“ spricht sie Jesus mit ihrem Namen an: „Maria“ Und sie dreht sich noch einmal um und erst dann erkennt sie Jesus als ihren Rabbi.
Das doppelte Umdrehen heißt wohl, dass auch wir uns immer wieder umdrehen müssen und vom starren Blick abwenden müssen, der nur in eine Richtung geht und nicht rechts und links schaut. Die österliche Maria Magdalena hat sozusagen einen 360 Grad Blick.
Heißt Ostern vielleicht, nicht nur eine enge Blickrichtung zu haben, sondern sich immer wieder neu umzudrehen.
Maria Magdalena am Grab Jesu hat es jedenfalls erfahren: Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten.
Ostern 2021
Kommen wir zu uns selbst am heurigen Osterfest 2021.
Es geht heuer wohl ganz besonders darum, mit dem Osterfest eine neue Freiheit zu gewinnen und den Blick auf das Positive zu richten. Manchmal bin ich in den letzten Wochen erschrocken, wie sich bei einigen das Aggressionspotential und die Ungeduld gesteigert hat. Ab und zu habe ich zu Leuten gesagt: „Schauen wir doch mehr aufs Gute!“ Sie haben dann gesagt: Du hast recht und dann gleich wieder minutenlang weitergeschimpft.
Ostern sagt uns: Wir dürfen ins Grab Jesu diese Aggressionen und die Ungeduld hineinlegen. Sie sollen begraben werden, damit wir mit Jesus als österliche Menschen auferstehen. Das ist keine Vertröstung auf irgendwann einmal, sondern eine Dynamik. Sie kann und soll heute beginnen, sie benötigt auch den Karsamstag zum Trauern und Abschiednehmen.
Ostern ruft uns zu: Nicht einmal der Tod ist das Letzte und das Schlimmste. Es gibt noch etwas Stärkeres, nämlich die Auferstehung und die Liebe, die alle Grenzen sprengen. Wir dürfen die Kraft der christlichen Spiritualität und unseres Glaubens nicht so heruntertun und geringschätzen. Unser Glaube hat eine große Kraft.
Ostern sagt uns: Ich muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten.
Details
- Datum: 4. April 2021
- Prediger: Franz Troyer
- Bibelstelle: Johannes 20,1-18