Beschreibung

Predigt Geben, Abgeben und Vergeben

Evangelium: Johannes 8,1-11; So 3. April 2022

 

Max und Peter waren Freunde. Sie wohnten gegenüber in derselben Straße. Früher waren sie dicke Freunde gewesen. Dann war es zu einem Streit gekommen und sie hatten begonnen, einander wie böse Feinde zu beschimpfen. Ihre Schulkameraden versuchten mehrmals, die beiden zu versöhnen, aber alle Mühe war umsonst: Sie waren richtige Starrköpfe.

Einmal regnete es besonders stark und die Straße stand unter Wasser. Max trat aus dem Haus, blieb beim Hoftor stehen und schaute mit Vergnügen um sich: Alles war so sauber und frisch nach dem Regen und glänzte in der Sonne. Plötzlich aber verfinsterte sich sein Gesicht. Er sah seinen Feind Peter am jenseitigen Hoftor stehen. Und er sah auch, dass Peter einen großen Stein in der Hand hielt. So, so, dachte sich Max, du willst also einen Stein nach mir werfen. Nun gut, das kann ich auch! Er lief in den Hof zurück, suchte und fand einen Ziegel und lief wieder auf die Straße, zur Abwehr bereit. Doch Peter warf den Stein nicht nach dem Feind. Er legte ihn behutsam ins Wasser. Dann prüfte er mit dem Fuß, ob der Stein nicht wackle, und verschwand wieder. „Ach so“, sagte sich Max. „Das kann ich auch.“ Und er legte seinen Ziegel ebenfalls ins Wasser. Peter schleppte schon einen zweiten Stein herbei. Vorsichtig trat er auf den ersten und senkte den zweiten ins Wasser. Dann holte Max drei Ziegelsteine auf einmal. So bauten sie einen Übergang über die Straße. Leute standen zu beiden Seiten. Sie schauten den beiden zu und warteten. Schließlich blieb nur ein Schritt zwischen dem letzten Ziegel und dem letzten Stein. Max und Peter standen einander gegenüber. Seit langer Zeit blickten sie sich zum ersten Mal wieder in die Augen, und Max sagte: „Ich habe eine Schildkröte. Sie lebt bei uns im Hof. Willst du sie sehen?“ (Geschichte Die Brücke von Natalie Oettli, stark gekürzt)

 

Was ist geschehen, dass die beiden Buben wieder vernünftig wurden und der Regen auch ihren Dreck weggeputzt hat? Was ist geschehen, dass sie nicht mehr Steine aufeinander werfen, sondern die Steine dazu verwenden, einen Weg zueinander zu machen?

Diese Geschichte zeigt sehr schön, wie sogar Freunde mit Streit beginnen und schwer es oft ist, den Streit zu beenden.

 

Wie geht es ihnen? Fällt es ihnen leicht, zu vergeben und neu anzufangen oder gehören sie zu den Menschen, die nachtragend sind und ständig Ärger und Zorn mit sich tragen.

Ich möchte meine Gedanken zur Kunst des Vergebens heute mit dem Evangelium von der Ehebrecherin verbinden und mit dem Wortspiel Geben, Abgeben und Vergeben. Unsere Sprache ist oft ja sehr treffend. So hat Vergeben sicher etwas mit Geben und Abgeben zu tun und Vernehmen etwas mit Nehmen.

 

Ich möchte heute anhand des Evangeliums und des Verhaltens Jesu die Kunst des Vergebens mit Geben und Abgeben in Verbindung bringen. Jesus vergibt der Sünderin: Deine Sünden sind dir vergeben.

 

Vergebung hat viel mit Geben zu tun

Wer ein versöhnter Mensch sein will, muss irgendwann einmal die bewusste Entscheidung treffen, gerne zu geben und nicht nur zu nehmen.

Bei einer Bibelrunde zum Gleichnis vom barmherzigen Vater und den verlorenen Söhnen hat einmal eine Frau gesagt: Eigentlich muss der ältere Sohn den ersten Schritt zur Versöhnung machen. Er hat ja nichts angestellt. So muss er keine großen Hindernisse überwinden, er muss sich nicht schämen. Er ist in der Position der Stärkeren. Wir denken meist umgekehrt. Derjenige, der Fehler gemacht hat, muss sich einige Male entschuldigen und den ersten Schritt machen und dann bin ich so gnädig, auch einen Schritt auf ihn zuzumachen.

 

Vergebung hat viel mit Ab-Geben zu tun

Ich erschrecke oft, wie Menschen die Fehler anderer sammeln und wie einen Rucksack voll Steinen ständig mittragen, damit sie die Beweise immer bei sich haben. Sie merken nicht, wie anstrengend das ist. Wer nachträgt, hat viel zu tragen. Ich rate oft Leuten, ihre emails und Fotos als Beweismittel gegen andere zu vernichten. Sie leben dann leichter, abgesehen davon, dass diese Beweismittel kaum zum Frieden helfen.

 

Vergebung hat viel mit Freiheit zu tun

Die Bibel berichtet, dass Jesus in den Sand schreibt. Was kann das wohl bedeuten?

Damit lässt sich Jesus von denen, die ihm eine Falle stellen wollen, nicht sofort in die Enge treiben. Er verhindert den schnellen Schlagabtausch „Bist du dafür oder dagegen“ oder eine hitzige Diskussion.

Auf diese Weise schlägt Jesus keine Türen zu, sondern öffnet neue Möglichkeiten. Die Worte „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ fordern die Ankläger zur eigenen Entscheidung auf und gibt ihnen eine neue Chance. Und sie tun es. Niemand wirft einen Stein, sie gehen betroffen weg.

Vergeben und Freiheit heißt demnach nicht: „Schwamm drüber, eigentlich war es ja gar nicht so schlimm.“ „Das kann jedem und jeder passieren.“ Jesus bleibt bewusst bei der Frau stehen und geht nicht schnell weg, ohne das Gespräch zu beenden. Jesus sagt zur Frau: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr. Das ist kein Freibrief für die Zukunft oder die Haltung, dass eh alles egal ist.

 

Wir sehen: Vergebung ist ein sehr aktiver Vorgang, bei dem ich handle gebe. Sie benötigt eine innere Haltung, die wir Menschen von Jesus lernen können.

Details
  • Datum: 3. April 2022
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 8,1-11