Beschreibung

Predigt Apostelkonzil als Sternstunde der Menschheit

Lesung Apostelgeschichte 15; 22.5.2022

 

Stefan Zweig schrieb ein Buch mit dem Titel „Sternstunden der Menschheit.“ Er beschreibt dort einige Ereignisse, die den Verlauf der ganzen Weltgeschichte weitreichend geprägt haben.

Ich möchte das sogenannte Apostelkonzil auch als Sternstunde der Menschheit dazurechnen und zwar aus methodischen und inhaltlichen Gründen. Der Bibeltext zeugt von Weite und Größe in einer nicht ganz leichten Entscheidungssituation im Jahr 49/50 n.Chr. Der Satz „Der Hl. Geist und wir haben beschlossen“ (Apg 15,28) ist zwar sehr hoch gegriffen, aber trotzdem markant. Schauen wir, wie das Apostelkonzil in der Bibel beschrieben wird.

 

Methodische Sternstunde im Blick auf die Art der Konfliktlösung

In Antiochia entsteht ein Streit über die Frage, ob Heidenchristen beschnitten werden müssen und die Gesetze der Juden übernehmen müssen oder nicht. Es kommt zu einem heftigen Streit, im Bibeltext ist von „großer Aufregung und heftiger Auseinandersetzung“ (V 2) die Rede. Die Schritte der Konfliktlösung haben modellhaften Charakter:

  1. Die Gemeinde in Antiochia kommt zusammen um eine Lösung zu suchen, findet aber keine schnelle Lösung.
  2. Sie schickt Paulus und Barnabas nach Jerusalem und fordert eine Klärung der Streitfrage (V 2-3).
  3. Paulus und Barnabas werden in Jerusalem von der Gemeinde, den Aposteln und Ältesten wohlwollend empfangen, ihr Anliegen wird ausführlich erörtert (V 4-21).
  4. Eine gute Kompromisslösung wird von allen gemeinsam beschlossen. Der Beschluss wird in einem Brief aufgeschrieben, Barsabbas und Silas bringen persönlich als Boten aus Jerusalem den Brief nach Antiochia und erklären den Inhalt zusätzlich (V 22-29).
  5. In Antiochia findet der Lösungsvorschlag aus Jerusalem Zustimmung bei der dortigen Gemeinde (V 30-35).

Viele dieser Schritte sind wirklich musterhaft. Ich frage mich manchmal:

  • Was wäre gewesen, wenn die Leute in Antiochia gesagt hätten. All das geht niemanden was an, das klären wir unter uns.
  • Was wäre gewesen, wenn Paulus und Barnabas in Jerusalem als Störenfriede sofort misstrauisch empfangen worden wären.
  • Was wäre gewesen, wenn die Beschlüsse ohne Gespräch mit den Betroffenen einfach über Befehl oder Zeitung übermittelt worden wären.

Gäbe es unsere Weltkirche, hätte man sich damals anders entschieden? Oder wäre der Glaube an Jesus eine kleine innerjüdische Gruppe geblieben.

 

 

 

Inhaltliche Sternstunde der Theologie

Ich muss ganz schmunzeln: Die Worte, die im Bibeltext Apostelgeschichte 15 dem Petrus in den Mund gelegt werden, sind typische Theologie des Paulus:

Wie ihr wisst, hat Gott schon längst hier bei euch die Entscheidung getroffen, dass die Heiden durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben gelangen sollen. Und Gott, der die Herzen kennt, bestätigte dies, indem er ihnen ebenso wie uns den Heiligen Geist gab. Er machte keinerlei Unterschied zwischen uns und ihnen; denn er hat ihre Herzen durch den Glauben gereinigt. Warum stellt ihr also jetzt Gott auf die Probe und legt den Jüngern ein Joch auf den Nacken, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Wir glauben im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene. (V 7-11)

 

Diese Worte des höchsten Vertreters der Apostel atmen eine große befreiende Weite.

Das Wissen um einen Gott, der die Herzen kennt und keine Unterschiede macht, beflügelt und entlastet.

Der Glaube, dass wir durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet werden, schützt uns vor verkrampftem Weltverbessertum oder kluger Besserwisserei oder der Neigung, sich gegenseitig zusätzlich Joche aufzulegen.

Die Überzeugung, dass der Heilige Geist auch in uns wirkt, gibt Selbstsicherheit. Der Satz „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (V 28) zeugt von diesem Sendungsauftrag aller Menschen.

 

Sternstunde des Gemeinde- und Kirchenverständnis

Es ist nicht nur interessant, sondern auch herausfordert, wer beim Apostelkonzil ganz selbstverständlich aktiv mitredet und Verantwortung übernimmt:

  • die Gemeinde von Antiochia, die das Problem ernst nimmt, diskutiert und dann beschließt, Paulus und Barnabas nach Jerusalem zu schicken
  • Paulus und Barnabas als Einzelpersonen
  • die Gemeinde von Jerusalem und die Apostel und die Ältesten, die Paulus und Barnabas empfangen
  • Einzelpersonen wie Petrus, Jakobus
  • und nicht zuletzt Barsabbas und Silas, die als Boten der Jerusalemer Gemeinde nach Antiochia geschickt werden, um den Beschluss zu übergeben und zu erklären.

Pfarrgemeinden und Einzelpersonen wirken im gegenseitigen Miteinander zusammen, keine Spur von der Neigung, Verantwortung nicht zu übernehmen, gegenseitig Gegner und Konkurrent zu sein oder ständig alles zu kritisieren, aber selber nichts zu tun.

 

Sternstunde der Konfliktlösung, Sternstunde der Theologie

Sternstunde im Gemeinde- und Kirchenverständnis.

Was davon ist am wichtigsten? Was kann ich leben und fördern?

Details
  • Datum: 22. Mai 2022
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Apostelgeschichte 15