Predigt Anfrage an den älteren Sohn
Beschreibung
Predigt Anfragen an den älteren Sohn
Evangelium: Lukas 15,1-3.11-32; 27.3.2022
Schon tausende Bücher wurden übers heutige Evangelium, das Gleichnis vom verlorenen Sohn und barmherzigen Vater geschrieben und doch wurde der Reichtum dieses Gleichnisses nie ganz erfasst. Das Gleichnis ist einfach ein Musterwerk der Bibel, nein, nicht nur der Bibel, sondern der Weltliteratur.
Ich möchte mich heute etwas mit dem älteren Bruder beschäftigen und an diesen einige kritische Anfragen stellen. Ich tue das auch deswegen, weil wir uns meistens in der Rolle des älteren Bruders sehen. Vorweggenommen. Der ältere Sohn bleibt verlässlich daheim, er tut seine Pflicht, er stellt nichts an, Das ist gut so, daran zweifelt niemand, das darf nicht vergessen werden.
Anfrage 1: Wie steht es mit deiner Achtung vor dem anderen
Ist euch schon aufgefallen, wie der ältere Sohn nach der Rückkehr seines Bruders über diesen redet?
- Er verweigert die Bruderbezeichnung und spricht beim Vater nur von „diesem deinem Sohn“.
- Ein Knecht hat ihn informiert, dass sein Bruder zurückgekehrt ist und der Vater ein Fest feiert, weil er ihn heil und gesund wieder hat. Der Sohn redet dann ganz anderes und behauptet, dass sein Bruder das Geld mit Dirnen verschleudert hat. Woher weiß er das alles?
Menschen, die so von anderen reden, sind in Gefahr der Selbstgerechtigkeit
Anfrage 2: Bist du der Diener deines Vaters oder sein Sohn?
Ist euch schon aufgefallen, wie die beiden Söhne den Vater anreden?
Der jüngere Sohn spricht seinen Vater als Vater an, sein älterer Bruder verwendet hingegen nie die Vaterbezeichnung, sondern betont, dass er seinem Vater schon so viele Jahre „dient“. Dienen erinnert an das Verhältnis Herr-Knecht und nicht Vater-Sohn.
Anfrage 3: Wie gehst du mit Schuld um?
Ist euch schon einmal aufgefallen, wie der jüngere Sohn, der Vater und der ältere Sohn mit Schuld umgehen?
- Der jüngere Sohn sieht seine Schuld, er erkennt sie vor sich selbst und bekennt sie vor seinem Vater. Er sucht keine Ausreden und gibt niemanden die Schuld, weder den bösen Menschen in der Ferne noch dem Schicksal. Nein, er sagt: Ich habe gesündigt
- Der Vater sieht die Schuld seines Sohnes und deren Folgen, dass dieser tot und verloren war. Er beschönigt sie auch nicht oder zerredet die Schuld des Sohnes. Er vergibt seinem Sohn.
- Der ältere Bruder bleibt bei der Schuldzuweisung an seinen Bruder stecken und betont im Gegensatz dazu seine eigene Leistung und Fehlerlosigkeit.
Anfrage 4 an den älteren Sohn: Was spürst du mehr, Freude oder Neid?
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass im heutigen Gleichnis die Freude eine ganz große Rolle spielt.
Der ältere Sohn beklagt sich, dass er „nie“ einen Ziegenbock bekommen hat. Es stellt sich die Frage, ob er jemals einen wollte oder nur schimpft, dass er keinen bekommen hat.
Der ältere Sohn ist draußen auf dem Feld, während die anderen drinnen im Haus feiern. Schon diese räumliche Aussage drückt etwas von seiner inneren Situation aus. Er ist in Gefahr, sich ins Out stellen. Der ältere Sohn will nicht zum Fest ins Haus hineingehen. Da kommt der Vater heraus, und bittet ihn, hineinzukommen.
Ist der ältere Sohn zum Fest hineingegangen? Konnte er seinem Herzen einen Stoß geben und sich mitfreuen? Das bleibt im Gleichnis offen.
Das sind 4 Anfragen an den älteren Bruder in uns.
- Die Achtung vor anderen
- Das Selbstbewusstsein als Sohn und Tochter
- Der Umgang mit Schuld
- Und die Fähigkeit sich mit zu freuen, wenn jemand etwas gratis und unverdient bekommt.
Details
- Datum: 27. März 2022
- Prediger: Franz Troyer
- Bibelstelle: Lk 15,11-32