Beschreibung

Predigt: Warum will Thomas die Wundmale Jesu sehen?

Evangelium 19. April 2020: Johannes 20,19-31

 

Wenn ich jemanden nach langer Zeit wiedersehe oder jemanden im Krankenhaus besuche, dann schaue ich besonders aufs Gesicht und die Augen. Wie ist die Ausstrahlung des Gesichtes und der Augen? Wirkt jemand müde oder frisch oder neugierig oder eher traurig und ganz in sich versunken?

 

Der Auferstandene bleibt der Gekreuzigte

So frage ich mich: Warum will der Apostel Thomas ausgerechnet die Wundmale Jesu sehen und berühren? Warum sind ihm die Wundmale wichtiger als etwa das Gesicht oder die Hände?

 

Thomas formuliert seinen Wunsch ganz detailliert: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Thomas äußert nicht nur diesen Wunsch, sondern verbindet damit auch eine Bedingung: Die Wunden Jesu zu sehen ist für ihn Bedingung für seinen Glauben

 

Es genügt dem Thomas nicht, sich den Auferstandenen irgendwie als leuchtende Himmelsgestalt oder Engel vorzustellen.

Thomas geht es um die Identität Jesu. Der wahre Auferstandene muss für ihn weiterhin eine starke Verbindung zum irdischen und gekreuzigten Jesus haben.

Es wäre ihm zu wenig, wenn Jesus als neuer Held oder neuer Messias daherkommt.

 

Acht Tage nach dem Ostertag - also genau nach einer Woche - finden die Fragen und Probleme des Thomas eine im wahrsten Sinn des Wortes greifbare Antwort.

  • Der Auferstandene ist kein anderer als der irdische Jesus.
  • Die Wundmale und Narben gehören bleibend zu ihm.
  • Die Wundmale erinnern an Jesu Liebe zu den Seinen, die bis zum äußersten gegangen ist, bis zur freiwilligen Lebenshingabe.
  • Jesus lebt weiterhin in dieser Haltung der Liebe zu den Menschen.

 

Die Wundmale des Auferstandenen haben Konsequenzen für unser Beten, für unsere Gottesdienste und die Feier unsere Sakramente. Weil derzeit durch die Coronakrise vieles nicht möglich ist, fällt uns das umso mehr auf.

 

Ganze Jesus, nicht nur ein Teil seines Lebens

Bei der Hl. Messe suchen wir uns nicht nach Lust und Laune irgendein Ereignis vom Leben Jesu aus, das uns heute besonders gefällt. Nein, wir tauchen ein in sein ganzes Leben und ins eine Ganzhingabe. Es ist jene heilsame Dynamik, die vom Karfreitag zum Ostermorgen führt.

Bei der Hl. Messe denken wir nicht nur ans Abendmahl. Wir bleiben nicht beim Kreuz stecken oder haben nur mehr die Auferstehung im Blick und schneiden das irdische Leben Jesu weg. Es genügt nicht, sich den Auferstandenen irgendwie als leuchtende Himmelsgestalt oder Engel vorzustellen. Da sind wir bald bei der Versuchung, uns unseren Jesus zusammen zu basteln.

Das ist der Blick auf Jesus.

 

Handfeste Feier und nicht nur hochgeistiges Getue

Auch im Blick auf die Menschen gilt: Gebet ist nicht eine Einzelbeziehung zwischen mir und Gott und die anderen interessieren mich nicht.

Gebet benötigt handfeste Verbindungen und Gemeinschaft mit konkreten Menschen. Die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte zeigt das sehr schön:

Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Alle wurden von Furcht ergriffen; und durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die glaubten, waren an demselben Ort und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens. (Apg 2,42-46)

Wir sehen: Da geht es um Gemeinschaft mit realen Menschen und nicht um Verbindungen über TV und Internet. Versteht mich richtig: ich bin froh, dass es TV, Telefon und Internet gibt. Aber dies ist nicht das Ziel, sondern nur ein Hilfsmittel.

Unser Papst hat dies in dieser Woche (17.4.2020) beim Morgengottesdienst auch betont: „Eine Vertrautheit ohne Gemeinschaft, eine Vertrautheit ohne Brot, ohne die Kirche, ohne das Volk, ohne die Sakramente ist gefährlich. Es kann eine gnostische Vertrautheit werden, eine Vertrautheit nur für mich allein, losgelöst vom Volk Gottes. In der Tat ist die Vertrautheit der Apostel mit dem Herrn immer gemeinschaftlich, immer bei Tisch, ein Zeichen der Gemeinschaft, und immer mit dem Sakrament, mit dem Brot.“

 

Berühren verboten?

Der Apostel Thomas will Jesus berühren und Jesus lässt sich berühren.

Thomas ist berührt und spricht aus tiefstem Herzen: Mein Herr und mein Gott!

 

Eine Frau, unrein, unberührbar, ausgegrenzt. Sie drängt sich in der Menge von hinten an Jesus heran und berührt sein Gewand. Wer hat mich berührt? fragt Jesus. Jesus lässt sich anrühren vom Leid der Menschen. (Mk 5,25-34)

Jesus fasst ein Kind an der Hand und sagt zu ihm: Talita kum! Mädchen, steh auf! (Mk 5,35-43)

 

Wie können wir derzeit Sterbende salben, Gebeugte aufrichten, Gefallenen aufhelfen, Wankende stärken, Verirrte an der Hand nehmen und Freunden Nähe zeigen?

Details
  • Datum: 19. April 2020
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 20,19-31