Pfingsten 2020 – Die Welt steht Kopf
Sophie aus Lienz hat die letzten Wochen genützt, um sportlich fit zu bleiben und an besonderen Orten ihre eleganten Turnübungen zu machen. Da auf der Straße, die vor ihrem Wohnhaus vorbeiführt, in den ersten Wochen der Coronakrise kaum Autos gefahren sind, nützte sie sogar diese zum Sport. Ihre Übungen zeigen und fördern ihre Beweglichkeit: Kopfstand, Luftsprünge, Brücken, verschiedene Drehungen, Sprungbein und Standbein. Sophies Beweglichkeit regt an, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Dies ist heilsam gerade in der jetzigen Zeit, in der die Welt Kopf steht, der Gegenwind von vielen Seiten kommt und viele auf den Boden gefallen sind. Sophie zeigt es vor: Nicht am Boden liegen bleiben! Den Kopf nicht in den Sand stecken! Wenn ich gesammelt und konzentriert bin, dann kann ich die Fühler neu ausstrecken.
Erstes Pfingsten vor 2000 Jahren – Die Welt steht Kopf
In den fünfzig Tagen zwischen dem Tod Jesu, seiner Auferstehung, der Himmelfahrt und dem Pfingstfest haben sich die Ereignisse geradezu überschlagen. Kein Wunder, dass die Jünger und Jüngerinnen Jesu oft zwischen Freude und Verzweiflung, Sich-Verstecken und Aufbruch, Vergangenheit und Zukunft hin und her geschwankt sind: Was ist Auferstehung? Lebt Jesus wirklich als Auferstandenen? Welche Folgen hat die Himmelfahrt Jesu? Was wird zu Pfingsten geschehen, wieder alles neu? Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt. Jetzt können die Jünger nicht mehr am Boden bleiben und schweigen. Weil sie ein starkes Standbein erleben, können sie mutig das Sprungbein in Bewegung setzen und in die ganze Welt laufen. Der Hl. Geist verleiht ihnen Flügel. Der Wunsch, anderen das Evangelium zu bringen, darf größer sein als die Angst vor Neuem.
Sammlung und Sendung als Grundhaltung der Kirche heute?
Inzwischen sind 2000 Jahre vergangen. Es gibt kein Land auf der ganzen Welt, an dem die christliche Botschaft nicht bekannt ist. Gut so! Gleichzeitig erleben wir, wie kraftlos und geistlos die Kirche in manchen Bereichen geworden ist. Leider fehlen oft der Wille und die Kraft zur Sammlung und erst recht die Kraft und der Wille zur missionarischen Sendung. Unser Papst beklagt immer wieder, dass wir als Kirche viel zu viel mit uns selbst beschäftigt sind und narzisstisch und selbstverliebt um uns selber kreisen. Er mahnt immer wieder, dass die Kirche die Sendung nach außen nicht vergessen darf, nicht daheim im Kämmerlein sitzen soll, sondern hinaus bis an die Ränder gehen muss.
Im Blick auf den eigenen Glauben und auf unsere Pfarren stelle ich mir immer wieder Fragen: Wie steht es bei uns mit tiefer Sammlung und echter Sendung? Wo kreisen wir viel zu sehr um uns selbst und unsere Organisation und schaffen dabei erst recht keine richtige Sammlung und Sendung? Wo und wie gelingt uns am besten die stärkende Sammlung und wo die Sendung nach außen über den Kirchturm hinaus? Oder pfingstlich gesprochen: Wo geben wir dem Hl. Geist eine Chance, dass er unsere Angst und Bequemlichkeit nimmt und uns begeistert?
Ich bin überzeugt: Sammlung und Sendung gehören wie beim Atmen ganz eng zusammen. Einer Kirche, die hastig und oberflächlich atmet, fehlt bald die Kraft. Je mehr tiefes Einatmen in Gott, umso mehr geisterfülltes Wirken in die Welt hinein – mit und durch den Heiligen Geist.
Pfingstliche Sammlung und Sendung
Liturgie ohne Sammlung macht nervös,
Liturgie ohne Sendung ist Beten zu sich selbst.
Diakonie ohne Sammlung ist planloses Herumschlagen,
Diakonie ohne Sendung ist Selbstverwirklichung auf Kosten anderer.
Verkündigung ohne Sammlung ist leer,
Verkündigung ohne Sendung ist Pflege der Eitelkeit.
Gemeinschaft ohne Sammlung ist Einsamkeit mitten in der Gruppe,
Gemeinschaft ohne Sendung ist Gruppenegoismus.
Durchdringe unser Beten und Arbeiten mit deinem Geist?
Erfülle das Wirken der Kirche mit deinem Geist.
Komm Schöpfer Geist, kehr bei uns ein!
Bitten wir um den Geist Gottes
Euer Pfarrer und Dekan Franz Troyer