Beschreibung

Predigt Wüste in mir

Evangelium Mk 1,12-15, 1. Fastensonntag 2021

 

Vor 40 Jahren schrieb der christliche Mystiker Carlo Caretto (1910-1988) ein Buch mit dem Titel: „In deiner Stadt ist deine Wüste. Geistliche Erfahrungen“

Carlo Caretto, der viele Jahre in der Wüste Sahara und dann bis zu seinem Tod in der Nähe von Assisi gelebt hat, beschreibt hier, dass die Wüste und Wüstenerfahrungen manchmal ganz nahe sind. Auf uns übertragen: In deiner Stadt Lienz ist deine Wüste.

Carlo Caretto denkt bei Wüste an schöne freiwillige Erfahrungen – die Wüste als Naturwunder und als Ort, wo wir viel bewusster leben. Er beschreibt im Buch aber auch Wüstenerfahrungen, die niemand von uns freiwillig wählt, nämlich den Kampf ums Überleben mit Hunger, Durst, Hitze und Kälte oder die Einsamkeit und fehlende Möglichkeiten in der Wüste.

Blicken wir mit diesen Überlegungen zur Wüste auf das heutige Evangelium mit den vierzig Tagen, den wilden Tieren und der Versuchung.

 

Vierzig Tage in Wüste

Jesus zieht sich in die Wüste zurück. Er plant kein Abenteuerwochenende mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Naturerlebnissen und Abenteuerkick.

Warum zieht sich Jesus in die Wüste zurück? Wenn wir den Hinweis ernstnehmen, dass Jesus vierzig Tage dort war, dann bekommen wir einige Antworten. Die Zahl vierzig drückt in der Bibel eine Zeit der Reifung, Entscheidung und Vorbereitung aus.

Wusstest du, dass es zur Zeit des Noach vierzig Tage und vierzig Nächte regnete?

Wusstest du, dass das Volk Israel sogar vierzig Jahre in der Wüste war und in dieser Zeit der Erprobung seine Identität fand.

Wusstest du, dass Mose vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berg Sinai war?

Wusstest du, dass Elija vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb zog?

Wusstest du, dass Jona in Ninive predigte: „Vierzig Tage noch und Ninive ist zerstört!“

Allein an diesen Beispielen der Bibel sehen wir, dass die vierzig Tage immer eine besondere Zeit sind.

 

Im Blick auf die Situation heuer habe ich den Eindruck, dass nicht Verzicht das Wichtigste der heurigen Fastenzeit ist. Manche Menschen müssen seit Monaten auf so viel verzichten. Heuer geht es wohl mehr um die Konzentration auf das Wesentliche und bewusste Entscheidung fürs Gute. Was möchte ich nach den Wüstenerfahrungen der letzten Monate zurücklassen?

 

 

Wilde Tiere

Das Markusevangelium betont ausdrücklich, dass Jesus in der Wüste bei den wilden Tieren lebte. Diese erinnern an das Ausgeliefertsein gegenüber unberechenbaren Mächten und daran, dass Jesus den Kontakt zum Wilden nicht scheut. Er ist nicht gekommen, um zu vernichten, sondern um Frieden zu stiften.

 

Ein Opa hat seinem Enkel viel von seinem Leben erzählt, auch viel Schlimmes, das er mitgemacht hat. Der Enkel ist fasziniert und sagt zu ihm: Opa, du hast so böse Sachen erlebt und trotzdem wirkst du so gelassen und zufrieden. Wie geht das? Hast du in dir keinen Ärger und Groll oder das Bedürfnis nach Rache. Da meint der Opa: Sehr wohl! Manchmal habe ich das Gefühl, dass zwei Wölfe in mir leben. Der eine Wolf ist böse. Er kämpft mit Neid, Eifersucht, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Lügen, Überheblichkeit, Egoismus und Missgunst. Der andere Wolf ist gut. Er kämpft mit Liebe, Freude, Frieden, Hoffnung, Gelassenheit, Güte, Mitgefühl, Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vertrauen und Wahrheit. Da fragt der Enkel: Und welcher der beiden Wölfe gewinnt? Der Opa schweigt eine Weile und sagt dann: Der, den ich füttere.

 

Versuchung

Der kurze Text des Markusevangeliums ist inhaltlich sehr präzise. Dass Jesus in die Wüste geht, geschieht im Auftrag Gottes. Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. In der Wüste aber wird Jesus vom Satan in Versuchung geführt und nicht von Gott.

 

Immer wieder sagen Menschen zu mir, dass sie die Vaterunser-Bitte „Führe uns nicht in Versuchung“ nicht verstehen und in dieser Form nicht beten wollen. Was wäre das für ein Gott, der uns selber in Versuchung lockt und dann dafür bestraft! Unser Papst Franziskus wird nicht müde zu betonen, dass uns Gott nicht in Versuchung führt. Viele Menschen schlagen deshalb andere Formulierungen vor: „Führe uns in der Versuchung!“ „Lass uns in der Versuchung nicht fallen!“ Mir fällt dazu oft der Psalm 23 ein: „Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.“ Gott verhindert demnach nicht, dass es das finstere Tal gibt, aber er verlässt uns dort nicht und geht mit uns durch Dick und Dünn.

Es geht um das Vertrauen, dass Gott auch in der Wüste meines Lebens da ist und seine Engel schickt.

 

Wir sehen: In deiner Stadt Lienz ist deine Wüste.

Ich möchte euch für die heurige Fastenzeit die bewusste Entscheidung fürs Gute, die Frage, welchen Wolf in mir füttere ich, und das Vertrauen in Gott mitgeben.

Details
  • Datum: 21. Februar 2021
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Markus 1,12-15