Predigt Brillenputzen und Beten
Beschreibung
Predigt Brillenputzen und Beten
Evangelium Lk 18,9-14; So 23. Oktober 2023
Als Brillenträger weiß ich, dass ich meine Brille ab und zu putzen muss.
Meistens fällt mir erst spät auf, dass sie dreckig und staubig ist und dann entweder Streifen oder Punkte in meinem Blickfeld auftauchen.
Das Putzen der Brille hilft, dass ich dann wieder klarer sehe und manche Verfärbungen wegfallen.
Ich möchte heute das Beten mit dem Brillenputzen und Schärfen des Blickes vergleichen, um die Welt mit realistischen Augen und gleichzeitig mit den Augen Gottes zu betrachten. Schauen wir dabei auf den Pharisäer und Zöllner im heutigen Evangelium, wie sie beten und wie ihr Blick beschrieben wird.
Pharisäer
Beginnen wir beim Pharisäer.
Man hat den Eindruck, dass dieser nur sich sieht:
- Er dankt, dass er nicht so ist wie die anderen.
- Er rechnet Gott vor, was er alles leistet.
- Er macht Nabelschau und ist ein purer Narzisst.
Kein Wunder, dass es im Bibeltext heißt: „Er sprach bei sich dieses Gebet.“ Wörtlich heißt es sogar: Er sprach zu sich selbst. Der Beginn des heutigen Evangeliums sagt natürlich schon sehr viel: Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Gleichnis:
Der Pharisäer erinnert mich an folgende Geschichte:
Ein Jude kommt zum Rabbi: „Es ist merkwürdig. Gehst Du zu einem Armen – er ist freundlich, er hilft, wo er kann. Aber gehst Du zu einem Reichen, dann ist es oft so, dass er dich nicht einmal ansieht. Sag mir, was ist das? Was ist Reichtum? Der Rabbi überlegt einen Augenblick, trat dann an Fenster und sagte zu seinem Besucher: „Komm her ans Fenster. Was siehst du?“ „Ich sehe eine Frau mit einem Kind und ein Auto und einen Mann auf einem Fahrrad.“
„Gut,“, sagte der Rabbi. „Und jetzt stell dich hier vor den Spiegel. Was siehst du nun?“ „Was werde ich nun sehen! Im Spiegel! Ich sehe mich selber!“ Ja, so ist das“, sagte der Rabbi. „Das Fenster ist aus Glas gemacht und der Spiegel ist aus Glas gemacht. Kaum legst du ein bisschen Silber darüber, siehst du nur noch dich selbst.“
ich wünsche dem Pharisäer in uns,
- dass wir wenigstens im Gebet die Masken fallen lassen
- und die Welt mit Gottes Augen sehen versuchen. Die Augen Gottes sind größer und gütiger. Sie sehen die Zusammenhänge und blicken hinter die Kulissen.
Zöllner
Kommen wir zum Zöllner. Wie betet dieser?
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Was fällt auf: Er bleibt im Tempel hinter stehen und wagt nicht ein einmal, die Augen zu Himmel zu erheben.
Ist er demnach wie der Pharisäer auch jemand, der nur um sich kreist?
Nein, das ist er nicht: Weil er innerlich doch Gott im Blick hat: Gott, sei mir Sünder gnädig.
Ich wünsche dem Zöllner in uns
- dass wir die Augen zum Himmel aufrichten
- und Gottes Barmherzigkeit vertrauen
Ich putze meine Brille,
die Sicht wird klarer
und ich sehe nicht nur mich selbst
im Spiegelbild.
Ich bete zu Gott,
meine Sicht wird weiter und gelassener
und ich sehe nicht nur mich selbst
im Spiegelbild meiner Sorgen und Eitelkeiten.
Reinige meine Pharisäer-Brille,
damit ich nicht nur mich selber im Blick habe,
im Selbstlob sogar das Danken verdrehe
und verächtlich auf andere blicke.
Reinige meine Zöllner-Brille,
damit ich mutig zum Himmel aufschaue,
auf Gottes Barmherzigkeit vertraue
und Ehrlichkeit wenigstens vor Gott einübe.
Ich putze meine Brille und bete zu Gott.
Ich sehe die Welt täglich neu
und ahne Gottes Spuren in ihr.
Details
- Datum: 22. Oktober 2022
- Prediger: Franz Troyer
- Bibelstelle: Lukas 18,9-14