Beschreibung

Predigt Hat Jesus gebetet?

Evangelium Johannes 17,20-26; 29. Mai 2022

 

Hat Jesus gebetet? In welchen Situationen suchte er das Gebet? Welche Orte waren ihm dabei am liebsten und hilfreich? Betete er lieber allein oder gemeinsam in der Gebetsgemeinschaft der jüdischen Synagogen? Diese Fragen interessieren mich, sie haben Auswirkungen auf meine eigene Gebetspraxis.

 

Die vier Evangelien sind kein Bericht, der all diese Fragen beantwortet und protokollartig im Stundentakt das Leben Jesu festhält. Vielmehr greifen sie beispielhaft einige Ereignisse aus dem Wirken Jesu heraus und stellen diese in den großen Heilszusammenhang der Weltgeschichte. Gerade deswegen fällt es umso mehr auf, dass die Evangelien wiederholt schildern, wie Jesus in ganz verschiedenen Situationen den Gebetskontakt zu seinem Vater sucht.

Er geht regelmäßig in die Synagoge (Lukas 4,16) und zieht sich am Abend oder Morgen zurück, um Kraft für die vielen Begegnungen zu schöpfen. Er dankt seinem Vater nach der erfolgreichen Tätigkeit seiner Jünger. Er betet vor großen Entscheidungen wie der Auswahl der zwölf Apostel und findet betend in den bedrohlichen Stunden vor seiner Gefangennahme im Garten Getsemani Halt und Trost. Auch einzigartige Höhepunkte wie Taufe und Verklärung sind ohne sein Gebet nicht vorstellbar.

Auf die Frage „Warum beten?“ antwortet ein Kirchenvater: „Weil Jesus gebetet hat! Wie beten? Wie es uns Jesus vorgelebt hat!“

 

Ich vermute, dass wenigen von euch bewusst ist, dass die Worte des heutigen Evangeliums auch ein Gebet sind. Nach der langen Abschiedsrede in den Kapiteln 13 bis 16 bringt Jesus jetzt im 17 Kapitel sein Leben und Lebenswerk noch einmal auf den Punkt. Die Gebetsworte Jesu in Johannes 17 sind das längste Gebet Jesu in der Bibel. Sie sind uns sprachlich nicht so vertraut und vielleicht sogar befremdend. Ich möchte drei Elemente herausgreifen.

 

Vater

Ist euch aufgefallen, dass heute im Evangelium viermal die Vateranrede vorgekommen ist: Heiliger Vater (V 11), Vater (V 21 und 24), Gerechter Vater (V 25) Schon vorher kam beim Gebet im Abendmahlsaal zweimal die Vateranrede vor: Vater, die Stunde ist da. (V 1) Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir. (V 5)

Jesus redet in dieser entscheidenden Stunde Gott selbstverständlich als seinen Vater an. In seiner aramäischen Muttersprache hat er das innige Wort Abba verwendet. Dies drückt die innige und persönliche Beziehung aus. Jesus redet nicht mit einer anonymen Macht, sondern mit seinem Vater.

Vertrauter sind uns die anderen Gebete Jesu:

  • Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. (Lk 22,42)
  • Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! (Lk 23,34)
  • Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (Lk 23,46)

Im Vaterunser lehrt uns Jesus, Gott als Vater anzureden. Seite an Seite und Schulter an Schulter dürfen wir in dieses innige Verhältnis mit Gott eintreten.

Mir ist ganz wichtig, dass wir als Christen und Christinnen beim Gebet eine persönliche Beziehung zu Gott aufbauen dürfen und ein Du ansprechen können.

Das ist ein großer Schatz.

 

Name

Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin. (V 26)

Wir wissen alle: Beim Namen Gottes geht es nicht um den Namen: Herr Mayr oder Frau Müller, nein, da geht es um das die Einzigartigkeit. Den Namen von jemanden kennen will heißen: Jemanden ganz kennen. Wir haben einen Namen und sind nicht nur eine Nummer.

Gott offenbart dem Mose seinem Namen am brennenden Dornbusch und macht damit eine ganz neue Form von Begegnung und Miteinander möglich.

Wenn wir im Vaterunser beten „Geheiligt werde dein Name“, dann wird klar: Hier geht es darum Gott die Ehre zu erweisen und in seinem Sinn zu leben.

 

Vater, schenke Einheit!

Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein. (V 21)

Kurz vor seinem grausamen Tod bittet Jesus um Einheit in der Welt und hat dabei wohl die vielen zerstörerischen Situationen aller Jahrhunderte im Blick. Der größte Kenner von uns Menschen weiß, wovon er spricht. Auch deswegen darf seine Bitte um ein gutes Miteinander niemals verstummen. Sie gilt für das Zusammenleben in Familien und Gruppen genauso wie für Religionen und verschiedene Nationen.

Jesus erfährt in seiner Verbindung zum Vater, was wahre Einheit ist. Diese ist keine Gleichmacherei und kein Einheitsbrei. Beide leben vollsten Einsatz, beide ergänzen sich gegenseitig und erleben sich nicht als Konkurrenten oder Gegner, sondern als Hilfe und Ergänzung. Diese positive Erfahrung möchte Jesus an die ganze Menschheit weitergeben. Jesus nimmt uns in seine Gottesbeziehung hinein. Das ist Modell und Vorbild. Auch und gerade deswegen darf Jesu Bitte nicht verstummen!

 

Hat Jesus gebetet? In welchen Situationen suchte er das Gebet?

Das heutige Evangelium berichtet

vom Schatz der Vateranrede Gottes, die auch uns geschenkt wird,

vom Namen Gottes und seinem Reich, an dem wir mitwirken können,

und Gottes Sehnsucht nach Frieden und Einheit. Die Beziehung zwischen Vater, Sohn und Hl. Geist sind bestes Vorbild dafür.

Details
  • Datum: 29. Mai 2022
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 17,20-26